Bettina aus dem Allgäu

Parotistumor          Azinuszellkarzinom

Heute, 17.09.21, jährt sich zum 1. Mal der Tag meiner ersten Ohrspeicheldrüsen-OP.

Das will ich zum Anlass nehmen, endlich mal hier zu schreiben. Diese Erkrankung ist sehr selten, daher findet man kaum was im Internet. Ich selbst hab sehr gesucht, bis ich hier fündig wurde, was mir sehr geholfen hat.  Daher hier meine „Geschichte“:

Seit Jahren hatte ich eine harte Stelle am Kinngelenk. Mein früherer Hausarzt zuckte mit den Schultern. Er wisse es nicht, evtl sei es ein Fortsatz von der Halswirbelsäule. Wenn ich will, gibt er mir eine Überweisung zum Facharzt. Nun gut, dachte ich: er ist nicht beunruhigt, es tut nicht weh, wird schon nichts sein.  Und so war es auch, mehrere Jahre. Im Frühjahr 2020 habe ich bemerkt, dass der „Bollen“ größer wird. Bin dann zu meiner neuen Hausärztin, die gleich mutmaßte, es könne die Ohrspeicheldrüse sein und müsse vom Facharzt abgeklärt werden. Der HNO-Arzt machte einen Ultraschall und diagnostizierte einen Parotistumor: sieht gutartig aus -raus muss er trotzdem.

„Jetzt gleich?“ war meine Frage. Ja, so kann man sich täuschen.

Er schickte mich in die HNO der Uniklinik Ulm, weil man diese OPs hier gar nicht macht. Jetzt erfuhr ich auch, dass die OP sehr diffizil ist, weil der Gesichtsnerv durch die Parotis führt und sich dort auffächert. Schließlich soll er nicht verletzt werden.

In der Ambulanz der Uniklinik sagte man mir das Gleiche. 5 Wochen später bekam ich den frühesten Termin zur OP (Corona- und Urlaubszeit).

Ja, heute vor einem Jahr..

Ziemlich genau 3 Stunden hat es gedauert vom 1. Schnitt bis zum letzten Stich. OP gut gelaufen, nur Narkose schlecht vertragen. Das hatte mich noch ne Weile beschäftigt.

Die OP wurde unter Neuromonitoring durchgeführt, damit keine Nerven verletzt werden. Es wurde der äußere Teil der Parotis incl. Tumor, bis zum Nervengeflecht, entfernt.

Als Laie habe ich mich gewundert, dass man ums halbe Ohr herum schneidet und weit am Hals herunter, aber das Sicht- bzw OP-Fenster muss halt doch groß sein. Am 4. Tag nach der OP wurde ich entlassen.

10 Tage nach OP wieder nach Ulm, um Fäden zu ziehen und die Histologie zu besprechen. Fäden ziehen war gar nicht schlimm, aber Histologie war noch nicht fertig. Ich solle eine Woche später wieder kommen, aber zuvor anrufen, ob sie auch wirklich fertig ist. Der Psyche und dem Gefühl tat diese Aussage nicht besonders gut, aber schließlich ist ja der weitaus größte Teil der Parotistumore gutartig. Leider war am nächsten Montag die Histologie immer noch nicht fertig. Ich solle Mittwoch wieder anrufen. Die Nervosität stieg…

Leider habe ich am Mittwoch gar niemand telefonisch erreicht, konnte auch nicht verbunden werden. Habe es dann über die Zentrale probiert und wurde nach einigem Hin-und-Her mit dem Beschwerdemanagement verbunden. Die freundliche Dame hat alles notiert und wollte es in die HNO weiterleiten. Danke sagte ich und dachte: da wird’s dann liegen..

Aber.. eine Stunde später bekam ich einen Anruf von meinem Operateur, der mir erklärte, dass es über 20 gutartige und über 20 bösartige Tumore gibt, die sich teilweise sehr ähnlich sind und die Histologie kompliziert ist; je nach Ergebnis müssen bestimmte weitere Tests gemacht werden.

Er rufe mich an, sobald er etwas höre.

Am nächsten Tag kam der Anruf, ob ich gleich nach Ulm kommen könne. Dann war mir das Ergebnis eigentlich schon klar. Eine Freundin fuhr mich (mal wieder diese 2 x 100 km), denn ich war ziemlich durch den Wind.

Bösartig; Azinuszellkarzinom; weitere OP, Neck Dissection; wenigstens war keiner der 3 entnommenen Lymphknoten befallen ….  Sie haben mir alles gut erklärt, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, mein Kopf steckt in Schaumstoff. Weitere OP in 5 Wochen… das war wieder der frühest mögliche Termin.

12.11.20, die 2. OP: jetzt wurde der Innenteil der Parotis, also hinter/unter dem Gesichtsnerv, auch noch entfernt und auch noch eine Neck Dissection Level II bis V durchgeführt. 3,5 Std vom ersten Schnitt bis zur letzten Naht. Diesmal bekam ich eine andere Narkose, die ich deutlich besser vertrug.

Diesmal war auch die Histologie gleich beim Fädenziehen da. Kein Krebs im restlichen Parotisgewebe und in den Lymphknoten. Also braucht es keine Bestrahlung!

Das hat mich doch sehr erleichtert. OP fand wieder unter Neuromonitoring statt. Nerv wurde keiner verletzt. Trotzdem ist seither mein Mund schief. Er geht nicht mehr gut auf, auf der rechten Seite. Woran es genau liegt, kann mir niemand sagen. Erst Schwellung nach OP, dann Narbengewebe (das innerlich reichlich vorhanden ist)? Je weiter ich ihn öffne, umso stärker sieht man es.

Das sind Fotos von heute, ein Jahr nach der 1. OP, also 10 Monate nach der 2. OP

Anfangs war es noch viel schlimmer und ich hoffe, dass es weiter besser wird. Denke, es liegt am Narbengewebe, das vielleicht auf den Nerv drückt. Mittlerweile habe ich Strategien entwickelt, dass es nicht so auffällt und ich ohne Probleme essen kann.

Seit dem Tag des Fädenziehens (Ende Nov. 2020) nach der 2. OP gehe ich 2x wöchentlich zur Lymphdrainage, das ist bei mir für den Lymphabfluss notwendig und auch für das Narbengewebe gut. Nächstens wollen wir auf 1x wöchentlich reduzieren.

Alles in Allem kann ich die HNO Ulm nur sehr loben. Die haben ihre Sache so richtig gut gemacht.

Zur Anschlussheilbehandlung war ich in der Reha der Uniklinik Freiburg. Auch dort wurde sich sehr um mich gekümmert; da gibt es nichts zu meckern! Und weil aller guten Dinge drei sind…  habe ich auch noch eine super Lymphtherapeutin bei mir in Wangen gefunden. Das Physioteam Lenzen in Wangen hat mich von Anfang an 1A betreut und sehr kurzfristig Termine gemacht.

Das allergrößte war meine Familie und mein Freundeskreis; was die alles für mich gemacht haben, kann ich hier gar nicht schreiben. DANKE!

Zum Schluss noch Bilder von meiner Narbe und der Schnittführung. Wie gesagt, die 2. OP ist genau 10 Monate her und da wurde die (damals 2-Monate alte) bisherige  Narbe wieder aufgemacht und nur minimal verlängert.

Im April habe ich wieder zu arbeiten begonnen.

Vierteljährlich muss ich nach Ulm zur Kontrolle. Meist Ultraschall und 1x jährlich CT mit Kontrastmittel von der Halsregion und Lunge. (Juhuu, bisher alles in Ordnung)

Falls ich jemand weiterhelfen kann, schreibt mir….

Allen, die das lesen (müssen) wünsche ich alles Gute, werdet oder bleibt gesund und glücklich.

Bettina

wangenerin@gmail.com

4 Kommentare

  1. Hallo Bettina,
    ich mache im Moment genau das gleiche durch. Habe gerade meine 2te OP mit Neck Dissection Level hinter mir und warte noch auf die Histologie.

    Meine Frage: was wurde bei der Anschlussheilbehandlungin der Reha der Uniklinik Freiburg gemacht?
    Zu diesem Thema hat noch kein Arzt mit mir gesprochen.

    Übrigens: Sei froh, dass du nur Probleme mit dem Mund hast – bei mir ist quasi alles betroffen. Bin aber auch erst der 3tag Post OP.

    1. Hallo Andreas,
      die ersten Tage sind echt eine Herausforderung. V.a. ist ja alles noch geschwollen, innerlich und äußerlich. Mach langsam!
      Ich werde dir bald eine private E-Mail schicken. Hier mal ganz grob: unsere Erkrankung ist zu selten, als dass es dafür eine spezielle Reha gibt. Sag aktiv und nachdrücklich, dass du eine AHB (Anschlussheilbehandlung) willst. Sonst geht sie dir flöten. Sie wird während deines Aufenthaltes im Krankenhaus vom Sozialdienst beantragt. Du musst deine Rentenversicherungs-Nummer dafür bereithalten. Ich hab erst so nach und nach verstanden, wie viel Kraft das Ganze mich gekostet hat. Die Reha zielt in unserem Fall mehr auf die allgemeine Wiederherstellung ab. Und tut ungemein gut. Auch Lymphdrainage bekommst du dort und solltest diese ab dem Fäden ziehen beginnen. Mach Termine so schnell wie möglich.
      Dies erst mal fürs Erste.
      Mehr in Kürze per Mail
      Wünsche dir viel Kraft und gute Heilung!
      Bis bald
      Bettina

    2. Hallo Daniela,
      tatsächlich ist uns da was seltenes zugeflogen.. Ich war bei der Diagnose 20 Jahre älter als du. Ich habe nun schon öfter gehört, dass zweimal operiert werden muss, weil kein Schnellschnitt gemacht wurde. Bei Brustkrebs ist das Gang und Gäbe.
      Oder blieb dir die zweite OP wenigstens erspart?
      Ja, ich habe auch ewig gesucht, bis ich etwas geeignetes gefunden habe im Internet. Bin Pascal heute noch dankbar dafür, dass er diesen Blog in die Welt gesetzt hat.
      Woher bist du denn?
      Wenn mehr Interesse besteht, könnte man sonst auch eine whatsapp-gruppe machen und sich vielleicht sogar ein bis zweimal im Jahr online treffen?
      Bei mir ist bisher alles friedlich geblieben.
      Bin gerade im am Koffer packen, wenn morgen geht’s in Urlaub…
      Soviel für heute
      Herzliche Grüße aus dem Allgäu
      Bettina

  2. Hallo Bettina,
    es ist doch erstaunlich, dass dein Beitrag einer der aktuellsten Beiträge zum Azinuszellkarzinom ist. Man findet tasächlich so wenig darüber und niemanden mit dem man sich austauschen kann.
    Darf ich fragen wie alt du warst zum Zeitpunkt der Diagnose? Ich bin 38 Jahre alt und hatte im Oktober letzten Jahres meine OP. Auch bei mir dauerte der histologische Befund fast 3 Wochen, im November dann der Schock.
    Mir wurde von der Neck Dissection als zweiten Schritt dann abgeraten, man hat mir die Bestrahlung nahe gelegt. Meine letzte Strahlendosis ist jetzt 5 Wochen her. Ich muss sagen die Bestrahlung habe ich total unterschätzt, aber die Nebenwirkungen sind jetzt (sehr langsam) am abklingen.
    Wie laufen deine Nachkontrollen? Ich hoffe wirklich für dich, dass sie ohne Befund sind.

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